Brief von Christel Gekeler: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 12. März 2012, 08:26 Uhr

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Liebe Annemarie, lieber Hans!

Seit vielen Jahren komme ich, entweder beruflich (oder privat mit meinem Mann) fünf bis sechs Mal im Jahr für eine Woche oder mehr ins mittlere Pielachtal zwischen Rabenstein und Frankenfels. Unsere Heimat ist 500 Kilometer weit weg – sie ist wunderbar und wir würden diese um Nichts auf der Welt tauschen. Dennoch finden wir hier etwas, das uns immer wieder gerne ins Tal kommen lässt. Hier stimmt die Balance zwischen Kultur und Natur. Wir fühlen und hier „heimisch“.

Das ganze Jahr hindurch gibt es für alle Sinne jede Menge zu erleben. Hier gibt gewachsene Kultur gepaart mit praller, unbändiger Natur und Lebenslust. Über ein gut markiertes Netz von Wegen genießen wir die (Kultur)Landschaft. Im zeitigen Frühjahr erfreut die leuchtende Dirndlblüte unser Auge, gefolgt von den Frühlingsblühern (z.B. Anemonen, Lungenkraut, Platterbsen, Schlüsselblumen). Bald ist der Waldboden mit Bärlauch übersäht und die Natur riecht äußerst appetitlich. Wenn der Löwenzahn blüht, blühen auch Äpfel und Birnbäume. Wenn die Wiesen gemäht werden, sieht die Landschaft aus wie ein einziges großes Kunstwerk von Friedensreich Hundertwasser. Kunstwerke sind auch die Schneidebäume (z.B. am Geisbühel), deren Grün als Viehfutter dient. Orchideen (z.B. Knabenkräuter, Ragwurze, Ständelwurz), Lilien (z.B. Türkenbund) und Alpenveilchen markieren den Sommer und das leuchtende Rot der Dirndlfrucht leitet in den Herbst über.

Das gesamte Jahr über genießen wir die „Landschaft“ auf dem Teller und im Glas: Köstliche heimische Spezialitäten wie Wild und Schwammerl, Dirndlspezereien, Schnäpse und Liköre, Marmeladen und Konfitüren, Bärlauchpesto, frische und eingelegte Kräuter, Bauernkäse, Obst und Gemüse aller Sorten, kräftiges Brot aus dem Holzofen, Speck und Wurst, sortenreinen Most. Ob nun direkt vom Bauernhof, im Landgasthaus oder im Sternehotel – es ist ein immer Genuss und voller Lebensfreude.

Marterl, Bildstöcke, Wegkreuze und kleine Kapellen begleiten uns oft auf unseren Wegen. Die stillen Seitentäler der Pielach führen uns hinauf über hochgelegene Almen zu bewirtschafteten Berghütten mit Panoramaaussicht (z.B. auf den Geisbühel, Eisenstein oder Hohenstein). Abseits finden wir auch ungedüngte Wiesen mit ihrer unvergleichlichen Flora und seltenen Bäume, wie alte Eiben oder alleinstehende Fichtenriesen.

Und weil das so ist, dass es das ganze Jahr hindurch so viel zu erleben und zu erfahren gibt – weil es so ist, dass die ordnende Hand des Menschen (Kultur) und die ungestüme Wildheit (Natur) sich immer wieder neu ausbalancieren - glauben wir zu verstehen, warum Menschen sich „heimisch“ fühlen: In unserer Heimat wie auch im Pielachtal kümmern sich die Menschen um ihre eigenen Wurzeln und das, was sie ausmacht. Sie sind stolz auf ihre regionalen Eigenheiten, ihre unverwechselbaren Spezialitäten, ihre einzigartige Landschaft. Und sie tragen Sorge, dass ihre Kinder und Kindeskinder ein gutes Erbe haben. Deshalb kommen wir immer wieder ins Pielachtal – weil auch hier „zu Hause“ ist.