Pielachtal - der Garten der Bauern: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Welt geht in Richtung ‚Müllerstickung‘ vermerkte schon vor einem Jahrzehnt der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Hubert Markl. | Die Welt geht in Richtung ‚Müllerstickung‘ vermerkte schon vor einem Jahrzehnt der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Hubert Markl. | ||
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Könnten und sollten wir da nicht an die Strategien und Techniken unserer Vorfahren anknüpfen, sie mit moderner Technik verschwistern und durch kluge Organisationsmuster breitflächig umsetzen?! | Könnten und sollten wir da nicht an die Strategien und Techniken unserer Vorfahren anknüpfen, sie mit moderner Technik verschwistern und durch kluge Organisationsmuster breitflächig umsetzen?! | ||
Die lokale Energieraumplanung sollte eine Grundversorgung im Krisenfall und eine ausreichende, sichere Versorgung auf lange Sicht sicher stellen. Sie sollte auch bewirken, dass unsere lokalen Wärmegewinnungsanlagen auch beim Ausfall externer Zufuhren funktionieren. | Die lokale Energieraumplanung sollte eine Grundversorgung im Krisenfall und eine ausreichende, sichere Versorgung auf lange Sicht sicher stellen. Sie sollte auch bewirken, dass unsere lokalen Wärmegewinnungsanlagen auch beim Ausfall externer Zufuhren funktionieren. | ||
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Die Ernährungsraumplanung sollte neben der vielfältigen bäuerlichen Produktion auch die bessere gebündelte Lagerung und Vermarktung umfassen. | Die Ernährungsraumplanung sollte neben der vielfältigen bäuerlichen Produktion auch die bessere gebündelte Lagerung und Vermarktung umfassen. |
Aktuelle Version vom 16. Februar 2015, 07:33 Uhr
Text: Prof Heinz Wohlmeyer
Meine Ur-Urgroßeltern mütterlicherseits waren die letzten Förster auf der Weißenburg, und mein Urgroßvater war Hutmacher in Frankenfels. Mein Großvater väterlicherseits war Kurator beim Bau der Mariazellerbahn. Während des zweiten Weltkrieges waren die Bergbauern in Frankenfels treue Helfer, die noch ihr mühsam gezogenes und geerntetes Getreide in den eigenen kleinen Mühlen mahlten und bereit waren ihr karges Brot mit uns zu teilen.
Daher bin ich mit diesem Tal, dem Dirndltal ‚liebevoll vertraut‘. Es zieht mich immer wieder vom eigenen Dirndlhof in Lilienfeld ins benachbarte Dirndltal, wo die bäuerliche Grundprägung weitgehend noch erhalten, und die Kapitulation vor den Sachzwängen der Flutung der Agrarmärkte im Namen des internationalen Freihandels durch viele bewundernswerte Initiativen eingebremst worden ist.
Vielmehr ist es zu einer neuen Identitätsfindung und Wiederentdeckung der ererbten Lebensqualität gekommen. Bei einem Rückblick und Ausblick können wir noch mehr finden:
Was kann uns der Rückblick sagen?
Unsere Vorfahren waren so arm und gezwungenermaßen so sesshaft, dass sie ihren unmittelbaren Lebensbereich so fruchtbar und so ‚wohnlich‘ wie möglich gestaltet haben. Die Landschaft wurde gleichsam ‚eingerichtet‘, wobei auf Vielfalt und Schönheit Bedacht genommen wurde.
Hecken hatten neben ihrer Abgrenzungs- und Schutzfunktion eine Blüh-, Duft- und Erntekulisse. Dirndl-, Kirsch-, Zwetschgen-, Apfel- und Birnbäume waren nicht nur um die Häuser versammelt, sondern auch gezielt in die Wiesen als Einzelbäume und als Gezeile an den Ackerrändern in die Landschaft eingestreut. Was wir daher ererbt haben ist eine großer Bauerngarten.
Unsere Vorväter wussten noch nichts von unserer ererbten Savannenprägung, die wir inzwischen entdeckt haben, aber sie trugen ihr instinktiv Rechnung. Die Savannentheorie besagt, dass wir Menschen unseren aufrechten Gang in der Savanne erworben haben und dass wir als stammesgeschichtliches Erbe noch immer die Anpassung an diese in uns tragen. In der Savanne war es in der Regenzeit gut zu leben. Sie war grün, hatte Blumen, war durch eingestreute Bäume gegliedert und hatte Wasserpfützen. Auf eine solche Landschaft antworten wir mit einem Grundwohlbefinden.
Unsere Plätze des öffentlichen Wohlbefindens, unsere Parks, gestalten wir nach diesem Muster. Nicht umsonst heißt die Savanne auf Deutsch Parklandschaft. Ein amerikanischer Freund meinte, als wir das Pielachtal durchfuhren: It’s like a big Park (Es ist wie ein großer Park). Ich denke, dass wir diese Wohlbefinden spendende Funktion bewusster wertschätzen und anbieten sollten. Hier kann wirklich die Seele baumeln…
Lebensmittel aus der "Landschaft"
Unsere Vorfahren holten aus dieser vielfältig eingerichteten Landschaft eine Vielfalt von ‚Über-Lebensmitteln‘ hervor. Es waren nicht nur Getreide und Erdäpfel, sowie Milch, Käse und Fleisch, die die Diät trugen; Lagerobst, Lagergemüse und eine Vielzahl von Trockenfrüchten und Trockenkräutern ergänzten die Grundnahrungsmittel.
Ich erinnere mich noch an die „kerschwoarme Suppn“ aus getrockneten Kirschen und an die gedörrten [[Zwetschge[[n als süße, kräftigende Nachspeise. Später gehörten sie bei allen meinen Bergtouren zum stärkenden Proviant.
Die Überlebenskunst war gepaart mit einer nachhaltigen Landschaftskultur.
Was empfiehlt der Ausblick:
Nahrungknappheit ist absehbar
Die Welt geht mit Riesenschritten einer globalen Nahrungsknappheit entgegen und die rd. 20% Reichen werden den Hungernden ihren Teil nicht weiter vorenthalten können. D. h. Wir sollten in Richtung ‚Ernährungsouveränität‘ (bestmögliche Eigenversorgung denken).
Müllerstickung
Die Welt geht in Richtung ‚Müllerstickung‘ vermerkte schon vor einem Jahrzehnt der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Hubert Markl.
Der Gründer des Worldwatch Institut, Lester Brown, hat als wesentliche Lösung der zugrunde liegenden Stoffstromproblematik empfohlen: The best you can do for our planet, is to produce and consume locally (Das beste, das sie für unseren Planeten tun können, ist lokal zu produzieren und lokal zu konsumieren).
Könnten und sollten wir da nicht an die Strategien und Techniken unserer Vorfahren anknüpfen, sie mit moderner Technik verschwistern und durch kluge Organisationsmuster breitflächig umsetzen?! Die lokale Energieraumplanung sollte eine Grundversorgung im Krisenfall und eine ausreichende, sichere Versorgung auf lange Sicht sicher stellen. Sie sollte auch bewirken, dass unsere lokalen Wärmegewinnungsanlagen auch beim Ausfall externer Zufuhren funktionieren.
Die Ernährungsraumplanung sollte neben der vielfältigen bäuerlichen Produktion auch die bessere gebündelte Lagerung und Vermarktung umfassen. Stellen wir uns die peinliche Frage, warum wir keine sichere Versorgung mit lokalem Gemüse und Obst haben?
Sollte nicht neben jedem modernen Bauernhof, der eine Hackschnitzelheizung hat, ein ‚Volksglashaus‘ aus Durchforstungslärchen und Doppelstegplatten, sowie ein modernes, gut regelbares Dörrhaus stehen. In den Glashäusern könnten wir auch im Winter Gemüse ziehen und in den Dörrhäusern Kräuter, Gemüse und Obst schonend trocknen.
Könnten wir nicht z. B. die alte Fertigkeit der Erzeugung von Holzschindeln als Winterarbeit wieder entdecken und unsere Dächer angepasst decken. Im Großen Walsertal, wo ich am Anfang des Neustartes des Tales stehen durfte (Nun ist es ein Vorzeigegebiet.), machen sich die Bauern die Dachschindel selbst und wären bereit, diese Handwerkskunst weiter zu geben.
Kulturlandschaft und Gärten vermitteln
Könnten wir nicht unseren Gästen all dies näher bringen und sie auf diesem Hintergrund zum erholenden Verweilen einladen, zumal wir auf die Landschaftskultur auch die gewachsene musikalisch-literarische Kultur aufsetzen und den großen Bauerngarten zur regionalen Landeskultur ausgestalten?
Was wäre es im Angesicht dieser Erkenntnisse mit einer Kulturlandschaftakademie, die vom Wunderwerk des belebten Bodens bis zur guten menschlichen Ernährung den Bogen spannt - die in den Vierklang, Ernährungssicherheit, Vielfalt, Schönheit und Geborgenheit vermittelt und ausformt?!
Wäre dies nicht auch ein Inhalt für die kommende Landesausstellung und ein dauerhaftes begleitendes Kulturprogramm für die revitalisierte Mariazellerbahn, die den großen Bauerngarten umweltfreundlich erschließt?
Ein guter bayersicher Freund, der Landschaftsgestalter, Dr. Josef Heringer, hat seine Zukunftsvision in den Merksatz gepackt:
Entweder wird die Welt ein Garten oder sie wird ein Schlachtfeld.
Trachten wir daher den Großen Bauerngarten Pielachtal zu erhalten, zu pflegen und auszubauen. Die folgenden Generationen werden es uns danken, und wir hätten die Chance, uns im Alter des bergend-schönen Nahraumes zu erfreuen.