Warum Wildkräuter?

Aus SteinschalerWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Steinschaler GenussGärten Logo

Gegenüberstellung und Vergleich von Wildkräutern und Zuchtpflanzen:

Wíldkräuter kochen - Wildspinat zubereitung

Wollen wir uns mit dem Wert von Wildkräutern beschäftigen, müssen wir uns zuerst fragen was wir damit vorhaben. Wollen wir damit nur würzen, oder haben wir vor ein ganz anderes Gemüsegericht oder einen üppigen Salat daraus zu machen. Soll ein Kraut als Heilpflanzenzubereitung aufgearbeitet werden, haben wir wieder andere Gesichtspunkte zu bedenken, die mit Umsicht angegangen werden müssen.

Ein Beispiel

Dieses soll erläutern, was gemeint ist: Thymian kennen wir als hocharomatisches Kraut, das ein beliebtes Gewürz für zahlreiche Fleisch- und Gemüsegerichte ist. Es dient nicht nur der Geschmacksverbesserung. Spezielle Wirkstoffe regen die Drüsentätigkeit an, fördern die Verdauung, wirken keimtötend und sind in der Lage, schädliche Wirkungen von durch Überhitzung entstandenen Röstprodukten aufzuheben. Würden wir allerdings die Menge, die man zum Würzen verwendet, überschreiten und versuchen, nur aus Thymiankraut alleine einen Salat oder ein Gemüsegericht herzustellen, dann würde so eine Speise nicht nur penetrant schmecken, wir würden uns sogar damit vergiften und unsere Schleimhäute verätzen, weil die Thymianwirkstoffe in diesen Konzentrationen ganz andere Eigenschaften entfalten.

Verfügbar machen der Wirkstoffe

Zwei begnadete Wildkräuterköche: Elfi und Hias

Es ist auch nicht egal womit und unter welchen Bedingungen die Wirkstoffe aus der Pflanze freigesetzt werden. Alkoholzusätze verändern sowohl Geschmack als auch Wirkspektrum, da dadurch andere Komponenten extrahierbar werden, die in purem Wasser nicht in Lösung gegangen wären. Ebenso ist es nicht egal, ob die Zubereitung angesäuert oder neutral oder basisch ist. Auch die Temperatur und ihre Einwirkzeit spielt eine wichtige Rolle, die zu gewünschten, aber oft auch zu ungewollten Veränderungen führen kann. Das ist auch bei der Verwendung von Heiltees und Hustensirup zu beachten.

SH Brennnessel Küche

Ich denke, Sie ahnen bereits worauf ich hinaus will:
Differente Pflanzenbestandteile, die so aromatisch sind, dass sie zum Würzen geeignet sind, müssen viel sparsamer dosiert werden als die Makronährstoffe unserer Nahrung wie z.B. Proteine, Kohlenhydrate, Fette und Ballaststoffe. Das heißt: was uns als Gewürzkraut in kleinen Mengen willkommen und zuträglich ist, ist als Gemüse- oder Salatpflanze meist ungeeignet.

Herzgespann

Gemüse- und Salatpflanzen sollen mehr Makronährstoffe enthalten und nur geringe Mengen an Substanzen mit intensiven Aromen um problematische Anreicherungen in einer Mahlzeit zu vermeiden.

Was ist aber jetzt, wenn eine Pflanze einen hohen Nährwert hätte (Kohlenhydrate, fette, Proteine) aber ihr ebenfalls hoher Gehalt an intensiven Aromastoffen verhindert, diese Pflanze in größeren Portionsmengen für eine Mahlzeit zuzubereiten? In solchen Fällen hat man seit Menschengedenken versucht Züchtungen zu erhalten, die die gewünschten Eigenschaften haben: ein möglichst hoher Gehalt an Makronährstoffen und so viel Aromastoffe, die das Gericht nur schmackhafter und gesünder machen, aber nicht penetrant wirken.

Heißt das jetzt, Wildpflanzen sind in erster Linie als Würz- und Heilpflanzen geeignet, für alles andere sind Züchtungen besser?

Auf den ersten Blick könnte es so aussehen, aber so einfach darf man sich die Sache nicht machen. Die Bedeutung von Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und Ballaststoffen für unsere Ernährung liegt auf der Hand, aber welche Rolle spielen diese zahlreichen anderen Bestandteile, die die Pflanzen produzieren? Ein Teil dieser Stoffe dient der eigenen Abwehr gegen Schädlinge (Schimmelpilze, Mikroorganismen, Insekten …) oder Fraßfeinde (Tiere, Mensch).

Fungizide oder bakterizide Stoffe wirken aber nicht nur auf pflanzenpathogene Schadorganismen. Sie töten oft auch Bakterien, Viren und Pilze die dem Menschen gefährlich werden können. Der regelmäßige Verzehr solcher Pflanzen trägt daher wesentlich zur Erhaltung unserer Gesundheit bei.

Da die Natur das Überleben der Pflanzen gewährleisten muss, haben sich auch wirksame Abwehrmechanismen gegen Fraßfeinde etabliert. Zu intensiver Geschmack beim Verzehr größerer Mengen ist eine Strategie, Geruch und auffälliges Aussehen verbunden mit rasch einsetzenden Giftwirkungen eine andere. Dadurch kann sich der Fraßfeind der Pflanze (z.B. der Mensch) merken, was ihm passiert, wenn er zu viel davon isst.

Vergiftungssymptome können von Ekel und Brechreiz bis hin zu dramatischen Erhöhungen der Herzfrequenz, Erstickungsanfällen, Wahrnehmungsstörungen und Schlimmerem führen. Viele Pflanzenwirkstoffe lösen in unserem Körper unterschiedliche Reaktionen aus, je nachdem, wie viel wir davon zu uns nehmen. In geringen Mengen genossen gesund und oft lebenswichtig, können größere Mengen nicht selten zu veritablen Vergiftungen führen.

Um also aus der Pflanzennahrung, die uns die Natur bietet, maximalen Nutzen zu ziehen, empfiehlt sich daher folgende Vorgangsweise:
Von den Gewürzpflanzen regelmäßig geringe Mengen aufnehmen und bei Salat- und Gemüsepflanzen einseitige Konsumation vermeiden. Mischkost bewirkt auch hier, dass wir möglichst viele unterschiedliche nützliche Wirkstoffe aufnehmen, ohne dabei je eine Menge zu erreichen, die dann bereits wieder schädlich wirken könnte. Um möglichst viele Wirkstoffarten für uns verfügbar zu machen, sollten wir auch trachten unsere Pflanzennahrung nicht ausschließlich gekocht, sondern auch roh zu konsumieren. Manche Nutzpflanzen sind allerdings roh ungenießbar (z.B. Kartoffeln, viele Pilze, manche Gemüsepflanzen)

Warum also Wildkräuter?

Steinschaler Gärten: Kräuter-Erntescheibtruhe
  • Wildkräuter sind meist reicher an physiologisch wirksamen Komponenten
  • Bei Zuchtpflanzen gibt es eine gewollte Ertragssteigerung und Anreicherung an Makronährstoffen (Proteine, Fette, Kohlenhydrate), aber häufig einen Verlust an physiologisch wirksamen Mikrokomponenten und Aromastoffen.

Will man daher auf natürliche, biologische Weise eine optimierte gesunde Ernährung erreichen, dann ist die regelmäßige und ausgewogene Mitverwendung von Wildkräutern unverzichtbar. Wenn wir objektiv bleiben wollen und die wissenschaftlich bewiesenen Fakten akzeptieren ohne sie durch ideologisch gefärbte Brillen pro oder contra zu betrachten, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Wild- und Zuchtpflanzen sowohl Vor- als auch Nachteile haben können. Aber durch sinnvolle Kombination von beiden, begleitet von einer wohl überlegten Zubereitung, die die positiven Eigenschaften der jeweiligen Pflanzen freisetzt und die negativen unterdrückt, kann optimaler Nutzen für Wohlbefinden und Gesundheit erreicht werden.

Zusammenfassung:

Rückseite eines Magentameldeblattes - Spinatnutzung
  • Es gibt weder die ideale Nutzpflanze noch das ideale Wildkraut mit ausschließlich positiven Eigenschaften, egal in welchen Mengen wir sie verzehren.
  • Der Mensch muss sein Wissen und Können einsetzen um daraus Speisen mit optimalem Nutzwert zu erzeugen.
  • Das geschieht durch sinnvolle Kombination von Wild- und Nutzpflanzen.
  • Ebenso wichtig ist eine wohlüberlegte Zubereitungsform.

Text: Univ. Prof. Dr. Fritz Pittner